Das Krankheitsbild der Depression bei Kindern und Jugendlichen

 

Wie sieht das Krankheitsbild einer Depression aus? Woran erkennt man, ob ein Kind eine Depression hat?

Mit einer Depression verbinden viele Menschen vor allem große Traurigkeit und Lustlosigkeit. Das Erscheinungsbild einer Depression bei Kindern und Jugendlichen kann jedoch stark von diesem Bild abweichen. Nicht nur sehen Depressionen bei Kindern und Jugendlichen anders aus als bei Erwachsenen. Auch zwischen Kleinkindern, Schulkindern und Jugendlichen gibt es Unterschiede in den Symptomen.

 

In diesem Artikel erfahren Sie:

✔ woran man eine Depression bei (Klein-)Kindern und Jugendlichen erkennt

✔ wie häufig Depressionen bei Kindern und Jugendlichen vorkommen

✔wie eine Depression bei Kindern und Jugendlichen entstehen kann

Eine Depression kann viele Gesichter haben. Foto:_Mxsh_/Unsplash

Das Krankheitsbild: Kennzeichen einer Depression

Eine ganz wichtige Information vorab: eine Depression kann sich bei jeder Person etwas anders äußern. Es gibt daher nicht „die eine Depression“. Um jedoch die Diagnose einer Depression stellen zu können, müssen bestimmte Merkmale erfüllt sein. Das aktuelle Internationale Klassifikationssystem (unter Experten ICD-10 genannt) sieht hierfür folgende Merkmale vor:

  • Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, gedrückte Stimmung
  • Der Verlust von Interesse und Freude an Aktivitäten, die normalerweise Spaß machen
  • Antriebslosigkeit und schnelle Ermüdbarkeit

Um des Krankheitsbild einer Depression diagnostizieren zu können, müssen diese 3 Merkmale erfüllt sein. Dies gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche.

Zusätzliche Merkmale des Krankheitsbildes können sein:

  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme
  • ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • das Auftreten von starken Schuldgefühlen und das Gefühl wertlos zu sein
  • Schlafstörungen
  • Veränderungen des Appetits: entweder ein Appetitsverlust, was mitunter auch mit einem starken Gewichtsverlust einhergehen kann oder eine Appetitssteigerung, sodass es auch zu einer Gewichtszunahme kommen kann
  • Körperliche Unruhe, Nervosität oder Verlangsamung und eine so genannte Verhaltenshemmung können auftreten
  • Gedanken an den Tod und das Sterben, Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen

Um von einer depressiven Erkrankung zu sprechen, muss die Symptomatik mindestens 2 Wochen lang fast jeden Tag und die meiste Zeit des Tages anhalten. Je nach Ausprägung und Anzahl der Beschwerden und je nach der Beeinträchtigung im Alltag unterscheidet man zwischen einer leichten, mittleren oder schweren Symptomatik.

Kinder mit einer Depression können meist nicht sagen, wie es ihnen geht.

Krankheitsbild Depression: Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

Während sich die Kernmerkmale einer Depression bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen also gleichen, gibt es in den verschiedenen Altersklassen jedoch auch Unterschiede.

Besonderheiten einer Depression bei Kleinkindern und Vorschulkindern:

Jüngere Kinder können noch nicht berichten, dass sie traurig sind. Daher wird eine depressive Symptomatik anhand einer Reihe durch z.B. die Eltern beobachtbare Verhaltensweisen beschrieben.

  • Trauriger Gesichtsausdruck und generell weniger Mimik und Gestik
  • Häufiges (unvermitteltes) Weinen und Schreien
  • Stimmungseinbrüche mit Tendenz zu plötzlicher Aggressivität
  • Spielunlust, generelles Desinteresse
  • Reduzierte Kreativität, Phantasie und Ausdauer
  • Anhänglichkeit und „Quengeligkeit“
  • Zurückgezogenheit
  • Das Ein- und Durchschlafen kann gestört sein
  • Essstörungen mit Essverweigerung
  • Erhöhte Infektanfälligkeit („Kränkeln“)
Besonderheiten einer Depression bei Schulkindern:

In diesem Alter können Kinder bereits begrenzt Auskunft über ihre Gefühlswelt geben.

  • sie berichten von Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit
  • Häufiges Weinen
  • Trotz, Abwehr und aggressives Verhalten (auch gegen sich selbst)
  • Sozialer Rückzug und Desinteresse
  • Konzentrationsprobleme, welche häufig zu einer Störung der Schulleistungen führen
  • Entscheidungsschwierigkeiten (sagen oft „weiß nicht“)
  • Suche nach elterlicher Zuwendung
  • Sorgen
  • Kinder können wenig Positives über sich sagen, machen sich Vorwürfe und geben sich selbst die Schuld für Probleme
  • Erste lebensmüde Gedanken können auftreten
  • Schlafstörungen und Essstörungen
  • Körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen und Übelkeit
  • Rückfall in frühere Verhaltensmuster, Rückschritt im Entwicklungsstadium
Besonderheiten einer Depression bei Jugendlichen:

Hier besteht die Schwierigkeit, dass u.a. Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Selbstunsicherheit typische Merkmale der Pubertät sein können. Daher kann es schwierig sein ein „normal pubertäres Verhalten“ von einer depressiven Symptomatik zu trennen. Generell nähert sich die Symptomatik im Jugendalter derer von Erwachsenen an.

  • berichten über emotionale Leere
  • Antriebs- und Lustlosigkeit
  • Teilnahmslosigkeit, Desinteresse, sozialer Rückzug
  • Gefühle von Verzweiflung, Wut und Gereiztheit spielen eine Rolle
  • Verweigerung
  • vermindertes Selbstvertrauen, Schuldvorwürfe
  • Angst und Selbstunsicherheit
  • Grübeln, Zukunftsängste, Pessimismus
  • Konzentrationsprobleme und Leistungsprobleme
  • Schlafstörungen, insbesondere frühes Erwachen am Morgen
  • „Morgentief“ (morgens besonders schlechte Stimmung, im Tagesverlauf Tendenz zur Besserung)
  • Essstörungen

Erschwerte Diagnostik

Nun haben Sie einen Überblick darüber bekommen, welche Merkmale eine Depression bei Kindern und Jugendlichen haben kann. Die Problematik der Diagnostik besteht jedoch darin, dass junge Kinder noch keine Auskunft über ihr Befinden geben können. Somit kann das Krankheitsbild der Depression nur aufgrund verschiedener Verhaltensweisen abgeleitet werden.

Außerdem können Verhaltensweisen wie Trotz, Aggressivität, Ängste, Gereiztheit oder Desinteresse auch fälschlicherweise bei Jugendlichen auf die Pubertät zurückgeführt werden. Es kann daher sein, dass eine behandlungsbedürftige Depression bei Kindern und Jugendlichen nicht oder zu spät erkannt wird. Wenn Sie sich fragen, ob bei Ihrem Kind eine Depression vorliegt, suchen Sie Rat bei einem Experten.

Häufigkeit von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen

Je nachdem welche Studie man anschaut, kommt man hier zu unterschiedlichen Aussagen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Depression bei Klein- und Vorschulkindern eher selten auftritt. Auch im Schulalter treten sie mit 1-2% relativ selten auf. Im Jugendalter (ab dem 13. Lebensjahr) ist jedoch ein starker Anstieg der Auftretensrate zu verzeichnen: die Zahlen schwanken zwischen 5% – 8%. Ab dem Jugendalter ist die Rate depressiver Mädchen doppelt so hoch wie bei Jungen.

Ursachen einer Depression

Eine Depression entwickelt sich aus dem Zusammenspiel vieler Faktoren. Es gibt nicht „den einen“ Auslöser für alle depressiven Erkrankungen. Unter Experten spricht man von einem „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“. Vulnerabilität bedeutet so viel wie ‘Verletzlichkeit’. Bestimmte Faktoren beeinflussen die psychische Verletzlichkeit einer Person. Hierbei spielen insbesondere folgende Faktoren eine Rolle:

  • eine genetische Veranlagung für eine psychische Erkrankung
  • das Temperament einer Person (welches gewissermaßen auch biologisch bedingt ist)
  • belastende Erfahrungen in der frühen Kindheit (z.B. Gewalterfahrungen, Vernachlässigung) und
  • die Bindung und Erziehungserfahrungen durch wichtige Bezugspersonen

Die psychische Verletzlichkeit kann sich zum Beispiel in einer generell negativen Grundstimmung und höheren Stressempfindlichkeit zeigen. Oder in mangelnden sozialen Kompetenzen und einem ungünstigen Umgang mit Gefühlen. Die psychische Verletzlichkeit alleine reicht jedoch nicht aus, dass eine Depression entsteht.

Die „Stress“-Komponente kommt noch hinzu und führt gewissermaßen zum Ausbruch der Erkrankung. Man kann sich das wie ein Regenfass vorstellen: Die psychische Verletzlichkeit (Vulnerabilität) führt zu einem bestimmten Wasserstand im Regenfass. Selbst mit einem halbvollen Regenfass kann man gut durchs Leben kommen. Kommt nun aber noch ein großer Stressor oder mehrere kleine Stressoren dazu, füllt sich das Regenfass immer mehr und läuft schließlich über. Die Depression bricht aus.

Solche Stressfaktoren können so genannte kritische Lebensereignisse sein. Hierzu zählen zum Beispiel die Trennung der Eltern, Todesfälle, Umzüge, Streit, Überforderung oder Krankheit. Auch normale Entwicklungsschritte wie der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule, die Pubertät oder steigende Rollenanforderungen als Jugendliche spielen hier eine Rolle. Und nicht zuletzt haben gesellschaftliche Faktoren wie zum Beispiel Leistungsanforderungen oder Medien einen Einfluss.

Individuelle Ursachenfindung

Es gibt also keine pauschale Antwort darauf, wie eine Depression entsteht. Das ist von Person zu Person unterschiedlich und damit auch von Kind zu Kind. Befindet sich ein Kind oder Jugendlicher in psychotherapeutischer Behandlung, sollte die Klärung der Frage „wie ist meine Depression entstanden?“ immer ein Teil dieser sein. Wenn die individuellen Faktoren einmal identifiziert sind, ist die Planung einer auf das Kind oder den Jugendlichen zugeschnitten Behandlung möglich.

Haben Sie weitere Fragen zum Erscheinungsbild der Depression bei Kindern und Jugendlichen? Hinterlassen Sie gerne einen Kommentar.

Sie wollen wissen, wie Sie Ihr depressives Kind im Alltag unterstützen? In diesem Artikel erhalten Sie Tipps zum Umgang mit Ihrem depressiven Kind.

 

Quellen:

Groen, Gunter & Petermann, Franz (2015). Therapie-Tools Depression im Kindes- und Jugendalter. Weinheim, Basel: Beltz.Mehler-Wex, C. (2008).

Depressive Störungen. Springer-Verlag.Mehler-Wex, C., & Kölch, M. (2008).

Depressive Störungen im Kindes-und Jugendalter. Deutsches Ärzteblatt, 105(9), 149-155.

Ich bin Isabelle Hennig und ich bin Psychologin (M.Sc.) und Psychologische Psychotherapeutin für Erwachsene. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie habe ich auf der Spezialstation für Essstörungen gearbeitet.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern ganz nachvollziehbar selbst psychisch belastet waren. Im Trubel des Familienalltags und verbunden mit den zusätzlichen Terminen und Wegen aufgrund der psychischen Erkrankung des Kindes fehlte jedoch die Zeit dafür, auf sich selbst zu schauen und gut für sich zu sorgen.

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