Ihr Kind weint und fleht jeden Morgen vor dem Schulbesuch, weil es lieber bei Ihnen bleiben möchte? Oder äußert Ihr Kind körperliche Beschwerden und will nicht in die Schule gehen? Erfahren Sie in diesem Artikel mehr über den Zusammenhang zwischen Trennungsangst und Schulverweigerung.

Trennungsangst und Schulverweigerung - Jugendliche im Bett

Eine Trennunsgangst kann dazu führen, dass Kinder und Jugendliche den Schulbesuch vermeiden.

Warum hat mein Kind Angst?

Schauen wir uns zuerst das Thema Angst an. Angst ist eine Grundemotion und als solche ein ganz normales Gefühl. Jedes Kind, jede:r Jugendliche und auch Erwachsene haben in bestimmten Situationen Angst. Kinder und Erwachsene fühlen sich ängstlich, wenn sie eine Situation als gefährlich oder bedrohlich bewerten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gefahr tatsächlich besteht oder ob sie nur vermutet wird. Angst aktiviert den Körper, um auf diese bedrohliche Situation zu reagieren, sie zu bewältigen und zukünftig möglichst zu vermeiden. Angst ist eng verbunden mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Wenn Ihr Kind Angst hat, fühlt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sicher oder es befürchtet, eine bestimmte Situation nicht kontrollieren oder beherrschen zu können.

Trennungsangst ist normal in der kindlichen Entwicklung

Angst ist im Kindes- und Jugendalter normal, jedoch verändert sich der Inhalt der Ängste je nach Alter. Im frühen Säuglingsalter (0 – 6 Monate) sind es beispielsweise laute Geräusche. Kinder zwischen 6 und 12 Monaten fremdeln meist und eine Trennung von Bezugspersonen ist mit Angst verbunden. In dieser Entwicklungsphase ist die Trennungsangst also ganz natürlich. Diese Phase kann jedoch unterschiedlich lange dauern. Danach werden Kinder selbständiger und können Trennungen besser verkraften. Geben Sie Ihrem Kind und sich die Zeit, die es braucht.

Im weiteren Entwicklungsverlauf sind Ängste vor Phantasiegestalten, Dunkelheit, natürlichen Katastrophen und Tieren normal. Bei älteren Kindern und Jugendlichen sind soziale Ängste und Leistungsängste nicht unüblich. Unterschiede im Temperament und in der Persönlichkeit sorgen dafür, dass manche Kinder weniger ängstlich sind als andere. Im weiteren Entwicklungsverlauf lernen die Kinder dann üblicherweise, dass sie vor bestimmten Situationen keine Angst haben brauchen. Auch hier gibt es Unterschiede: manche Kinder brauchen dafür etwas mehr Zeit als andere, aber das ist nicht schlimm.

Wann wird Trennungsangst auffällig?

Ein gewisses Maß an Angst ist also normal und sogar hilfreich. Wenn jedoch das Ausmaß und die Dauer der Angstreaktion der Situation nicht angemessen sind und dies über einen langen Zeitraum bestehen bleibt, kann man von pathologischer Angst sprechen. Wenn Angst in eigentlich bekannten, objektiv ungefährlichen Situationen auftritt und eine Beruhigung des Kindes kaum möglich ist, ist das normale Maß überschritten. Die Einschränkung der Lebensqualität bzw. die Beeinträchtigung des Lebensalltags für das Kind aber auch die Familie ist ein weiteres Kriterium für eine pathologische Angst.

Merkmale einer Trennungsangst können sein:

 

Das Kind:

  • hat eine unrealistische und anhaltende Sorge, dass einer engen Bezugsperson etwas zustoßen oder dass es durch eine Katastrophe von der Bezugsperson getrennt werden könnte
  • weigert sich, alleine schlafen zu gehen, ohne dass eine Bezugsperson dabei oder in der Nähe ist. Auch auswärts zu schlafen ist nicht möglich oder das Kind steht nachts wiederholt auf, um zu prüfen, ob die Eltern noch da sind
  • kann tagsüber nicht alleine zu Hause sein (obwohl es der Entwicklungsstand zulassen würde)
  • hat Albträume über Trennungsszenarien
  • leidet vor einer bevorstehenden Trennung stark.

Weitere Merkmale bei Trennungsangst:

 

  • während eines Abschieds von der Bezugsperson zeigt sich die Angst in Schreien, Wutausbrüchen, Anklammern, Anflehen und anbetteln der Eltern, nicht zu gehen.
  • Auftreten von körperlichen Beschwerden wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit in Situationen, die mit einer Trennung von einer Bezugsperson verbunden sind, z.B. morgens um zur Schule zu gehen oder vor Klassenfahrten und Ferienlagern
  • Verweigerung des Schulbesuchs aus Angst vor der Trennung von einer Bezugsperson

Die Funktion von Vermeidungsverhalten

Angst ist ein sehr intensives und handlungsweisendes Gefühl. Oft entsteht der Impuls, die angstauslösende Situation zu verlassen. Tun wir dies, wird das Gefühl der Angst schnell nachlassen, was wir als angenehm empfinden. Diese Verknüpfung lernt das Gehirn sehr schnell: es merkt sich, dass die Angst abnimmt, wenn die Situation verlassen wird. Verhalten, das die Beendigung eines unangenehmen Zustands (z.B. Angst) herbeiführt, nennt man negative Verstärkung. Kurzfristig wird die Angst durch Vermeidung also reduziert.

Das Verhalten, das zum Nachlassen des unangenehmen Zustands geführt hat, wird in Zukunft häufiger ausgeführt. Das führt in der Folge dazu, dass die angstauslösende Situation möglichst vermieden wird oder aber so schnell wie möglich beendet wird. Langfristig wird die Angst durch dieses Vermeidungsverhalten jedoch aufrechterhalten. Das Kind kann nicht lernen, die Situation zu bewältigen. Es entsteht ein Teufelskreis aus Angst und Vermeidungsverhalten, welches zwar kurzfristig die Angst beseitigt, langfristig jedoch dazu führt, dass in ähnlichen Situationen immer wieder Angst empfunden wird. Dieser Teufelskreis nimmt allmählich das alltägliche Leben ein und führt zu gravierenden Einschränkungen, sowohl für das Kind, aber auch für die ganze Familie.

 

Wie Trennungsangst und Schulverweigerung zusammenhängen

Eine Trennungsangst kann eine Ursache für eine Schulverweigerung sein. Der Grund für die Angst liegt dabei nicht an der Schulsituation selbst, also beispielsweise die Angst vor schlechter Bewertung oder vor den Mitschülern. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle scheint dem Kind in der Schule nicht gegeben zu sein. Es befürchtet, dass engen Bezugspersonen etwas zustößt, wenn es nicht zu Hause ist. Körperliche Beschwerden, wie z.B. Schmerzen dienen dann als Entschuldigung, um zu Hause bleiben zu können. Dort haben sie die Bezugsperson um sich und sie fühlen sich sicher.

Das Zu-Hause-Bleiben kann als Vermeidungsverhalten gewertet werden. Das Gleiche gilt, wenn Eltern das Kind auf dessen Betteln hin eher von der Schule/der Klassenfahrt abholen. Dies führt kurzfristig dazu, dass das Kind keine Angst mehr spürt. Oft geht es den Kindern schnell wieder besser, wenn sie nicht in die Schule gehen müssen. Doch schon am nächsten Tag, wenn es wieder darum geht, in die Schule zu gehen, tritt die Angst erneut auf. Denn Vermeidungsverhalten hält die Angst langfristig aufrecht, da das Kind nicht lernt, die Situation zu meistern.

 

Wie gehe ich mit der Trennungsangst richtig um?

In der Arbeit mit meinen Klient:innen spielt das Thema Schulverweigerung häufig eine Rolle. Für Eltern sind gerade der Umgang mit den körperlichen Beschwerden, aber auch die Reaktion auf Weinen, Flehen und Anklammern verunsichernd und herausfordernd. Lesen Sie dazu meine Tipps für Eltern zum Umgang mit Trennungsangst und Schulverweigerung.

Es sei noch erwähnt, dass eine Schulverweigerung auch aus anderen Gründen auftreten kann. Leistungs- und Versagensängste, soziale Ängste oder Mobbing können ebenfalls zu einer Schulvermeidung führen. Kindern und Jugendlichen fällt es oft schwer, die Ursachen für ihre Angst zu benennen. In behutsamen Gesprächen können Sie mit Ihrem Kind darüber ins Gespräch kommen. Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch, damit Ihr Kind und Sie die passende Unterstützung erhalten.

 

 

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Kind gemacht? Schreiben Sie mir gerne einen Kommentar!

Ich bin Isabelle Hennig und ich bin Psychologin (M.Sc.) und Psychologische Psychotherapeutin für Erwachsene. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie habe ich auf der Spezialstation für Essstörungen gearbeitet.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern ganz nachvollziehbar selbst psychisch belastet waren. Im Trubel des Familienalltags und verbunden mit den zusätzlichen Terminen und Wegen aufgrund der psychischen Erkrankung des Kindes fehlte jedoch die Zeit dafür, auf sich selbst zu schauen und gut für sich zu sorgen.

Mit meiner Online-Beratung biete ich Eltern mit einem psychisch erkrankten Kind professionelle psychologische Unterstützung, bequem von zu Hause aus, ohne Warte- und Fahrzeiten. Als ausgebildete Psychotherapeutin stehe ich Ihnen mit meiner Kompetenz zur Seite. Kontaktieren Sie mich gerne.

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